Sonntag, 8. November 2009

Klärung bei der Polizei (26.10.2009)

Nach dem Frühstück sollte unser Gepäck kommen. Tian hatte das Geld erhalten und abheben können. Die Polizei würde gegen 14:30 Uhr kommen, um alles zu regeln. Gabi uns Ulrich hatten ja nur die Sachen, die sie am Leib trugen bzw. die letzten 8 Tage schon getragen hatten. Chuck und ich hatten wenigstens Jeans, Pullover und andere Wäsche in einem der Hotels deponiert. Aber einige von uns brauchten vor allem die Medizin aus der großen Apothekentasche, die in einem der Gepäckstücke im Lager war.

Ein kleiner Pick-Up kam endlich und brachte unser Gepäck.



Im Hof fiel mir auf, dass mein roter Packsack fehlte. Ich suchte ihn und fand seine Reste in einer Plastiktasche. Er war total zerschnitten. Rundherum und der Länge nach. Ich war natürlich nicht froh darüber, da ich das Gepäck ja irgendwie transportieren muss. Dann kontrollierte ich den Inhalt und merkte, dass etwas fehlte. Es war nur eine Gamasche da und meine extra für diese Expedition gekauften Handschuhe sowie mein Klettergurt fehlten. So ein Mist. Wir würden alles kontrollieren müssen. Ich versuchte die anderen zu holen. Gabi und Ulrich waren weg (eine Hose kaufen, da sie keine "zivilen" Hosen dabei hatten). Chuck war nur äußerst wackelig auf den Beinen und wollte eigentlich den Tag im Bett bleiben.

Zum Glück fanden sich meine Sachen in anderen Gepäckstücken wieder. Am Ende wurden wir dann auch noch um den Fahrtpreis verarscht. Tian hatte diesen telefonisch mit 50 Yuen bestätigt bekommen. Den Preis, den wir auch von Batang nach Dangba bezahlt hatten. Vor Ort wollten die Leute jedoch das Doppelte haben, da sie ja auch wieder zurück fahren müssten. Der Koch meinte es hätte keinen Sinn, mit den Einheimischen zu diskutieren.

Unser Gepäck war da und Tian hatte auch das Geld. Was nun noch fehlte waren unsere Ausweise. Um 14:30 Uhr sollten wir zusammen mit dem Vertreter der Pferdeführer bei der Polizei erscheinen und die Streitigkeiten beilegen. Die Polizei holte Tian und mich im Hotel ab. Zur Wache war es nicht weit und es führte uns wieder der Beamte Cho, der mich am Vortag verhört hatte und sehr gutes Englisch sprach. Wir kamen in einen kleinen Büroraum, der ziemlich voll war mit Leuten. Einen erkannte ich wieder als den Supervisor von Cho, der auch schon am Vorabend aufgetaucht war, um die Sache für den Abend zu beenden. Zwei andere Leute saßen auf der Couch und sahen aus wie Verbrecher (gegelte Haare, dick, Goldschmuck und Sonnenbrillle). Einer der beiden stellte sich jedoch später als Schreiber heraus. Ich war ein bisschen überrascht, dass alle Zivil trugen. Es handelte sich um die speziell eingerichtete Abteilung für alles, was Ausländer betrifft.

Der Pferderführervertreter traf kurze Zeit nach uns ein. Es wurde wieder einmal auf chinesisch diskutiert. Ziemlich heftig und ziemlich lange. Ich erfuhr, dass er nun nicht nur das Geld für die Pferde, sondern auch für seine Vermittlungsdienste haben wollte. Davon war Tian aber nichts bekannt und schließlich einigte man sich, er müsse dies mit Cheng Li besprechen, der sein eigentlicher Ansprechpartner war. Das Geld wurde lange und umständlich abgezählt und übergeben, bis wir endlich unsere Ausweise wieder bekamen. Cho brachte uns noch zum Hotel und bat mich um ein Gespräch am späteren Nachmittag, da er gerne ein paar Sachen wissen wollte.

Das Gespräch fand auf einem Platz im Dorf statt und noch einer von Chos Kollegen war dabei, der allerdings wohl kein Englisch verstand. Es handelte sich jedenfalls nicht um ein Verhör sondern eher ein Privatgespräch. Cho war sehr interessiert an dem Leben in Deutschland und den Gründen, warum ab und zu Leute zum Bergsteigen in diese Region kommen, die dann nach Unfällen vermisst oder tot aufgefunden werden. Leichen sind ihm da natürlich lieber, da dann das Verfahren meist schnell wieder beendet werden kann. Vor ein paar Jahren war am Central Peak ein Kletterer gestorben. Er war mit Ma Yihua und Chang unterwegs (wohl auch der Grund, warum Ma nun in Kanada bleibt). Gerade war auch eine Australierin in der Stadt, die Spuren ihres verschollenen Bruders suchte, der laut Cho auch in den Bergen verschwunden war (allerdings vor drei Jahren).

Abstieg (25.10.2009)

Der Wecker hat wahrscheinlich um 7:00 Uhr geklingelt. Ich hatte jedoch nichts gehört, da ich eine Mütze auf hatte und die Arme (an dessen linken der Wecker befestigt war) tief im dicken Schlafsack waren. Ulrichs Wecker war kaputt und der Koch hatte wohl auch keinen. Da ich aber sowieso nicht fest schlief, wunderte ich mich nach einer Weile, warum das Klingeln augeblieben war und guckte auf die Uhr. Es ist schon komisch, wie man im Halbschlaf manchmal ganz schön begriffsstutzig ist. Ich verstand jedenfalls nicht gleich, warum es schon 7:03 Uhr war und der Wecker nicht geklingelt hatte. War es vielleicht sieben Uhr in einer anderen Zeitzone und bei uns noch viel früher? Eine Uhr mit zwei Zeitzonen und Wecksignalen, die man explizit pro Zeitzone stellen muss, trägt da morgens nicht so viel zum Verständnis bei. Als ich alles kontrolliert hatte, blieb nur noch die banale Lösung, dass ich den Wecker einfach nicht gehört hatte.

Die Nacht war sowieso nicht so einfach gewesen. Irgendwie trieb sich die ganze Zeit etwas Ungreifbares bezogen auf den Abstieg und Abbruch der Expedition in meinem Kopf herum. Das Zelt war voll mit Packsäcken und anderen Sachen (Chuck war ja schon unten). Leider hatte ich beim Schlafengehen auch den Fehler gemacht, meine Stirnlampe nicht in die Seitentasche, sondern irgenwohin zu legen. Wenn man nachts aufwacht, in einem stockdunklen Zelt, das vollgestopft ist mir großen und kleinen Gegenständen, kommt man sich ganz schön hilflos vor, wenn man nach der Lampe sucht.

Ich machte das Licht an, draußen war es noch ziemlich dunkel, aber es dämmerte. Das Zelt war wieder einmal voller Eiskristalle. Ich dachte, dass vielleicht eine Person weniger Feuchtigkeit abgeben würde, aber anscheinend hatte ich mich geirrt, denn rundrum war die Feuchtigkeit an den Wänden, der Decke und dem Boden gefroren. Als ich Ulrich fragte, wie es bei ihm wäre, hatte er wohl keine Motivation in dieser Dunkelheut und Kälte aufzustehen, bevor der Koch nicht wenigstens etwas Wasser heiß gemacht hatte. Trotzdem begann ich, mich in dem engen und nassen Zelt anzuziehen. Das dauert immer ein bisschen. Man hat zwar den Vorteil, dass man relativ gut augeheizt ist, aber der Innenraum des Zeltes hat immer noch Grade unter Null, bei dennen man sich dann seine kalten und leicht klammen Kleidungsstücke anzieht, die neben dem Schlafsack gelegen haben. Beim Aufsetzen der auf fünf Grad unter Null abgekühlten Brille, kann man gleich wieder nachwischen, da diese sofort beschlägt.

Zhong stand auch auf, als er die Geräusche von uns gehört hatte. Wie jeden Morgen schlug er zuerst die Eisschicht der Wassertonne kaputt und setzte dann einenen Kessel auf, bevor er für uns Weißbrotscheiben in seinem Wok toastete. Das Toastbrot war natürlich immer kalt, wenn wir es bekamen, aber es war so westlich, dass auch Gabi und Ulrich etwas davon nahmen, wenn die mal von ihrem selbst mitgebrachten Müsli abwichen. Ich glaube übrigens, dass der Grund, auf Expeditionen soviel Erdnussbutter zu verwenden, nicht nur daran liegt, dass dies von den Amis so gerne gegessen wird. Im Vergleich zu richtiger (in unserem Fall irischer) Butter, lässt sich Erdnussbutter nämlich noch einigermaßen um den Gefrierpunkt herum verarbeiten.

Nach dem Frühstück packten wir unsere restlichen Sachen ein. Die Sonne berührte die ersten Spitzen der Zelte. Es würde noch sehr lange dauern, biss der Reif und das Eis geschmolzen waren. Vorher wäre es keine gute Idee, die Zelte einzupacken, da sie dann schimmeln würden.



Cheng Li und sein einheimischer Begleiter waren gekommen, um beim Abbau des Zeltes zu helfen. Zusammen haben wir also erst einmal die gemeinsamen Zelte abgebaut (das Aufenthaltszelt, das Küchenzelt und das Klozelt). Dann haben wir darauf gewartet, dass unsere Zelte trockneten. Die Pferde und ihre Treiber sollten um 10:00 Uhr da sein. Ich hatte keine Lust darauf, mit ihnen um die Wette zu laufen und wollte deshalb früher mit dem Abstieg starten. Irgendwann konnten wir endliche die Zelte abbauen und verpacken. Nachdem Ulrich und ich das erste Zelt in bester Camper-Manier ordentlich zusammengelegt und schön eingerollt hatten, kam Cheng Li und meinte das dürfe man nicht so machen. Er stopfte das nächste Zelt unter Mühen einfach grob in den Packsack. Dadurch würde man verhindern, dass die Zelthaut beim Zusammenrollen zerstört wird. Schließlich zelteten wir nicht auf dem gepflegten Rasen eines vier Sterne Campingplatzes.



Endlich konnten wir los. Nach ca. einer halben Stunde kamen uns zwei Reiter entgegen, die wir schon kannten. Es waren die beiden Banditen von vor zwei Tagen. Wir ließen sie passieren und sie uns auch. Nach ca. 45 min Gehzeit kamen uns endlich unsere Pferde entgegen. Wir überschlugen, dass sie damit mindestens zwei Stunden hinter uns sein würden.



So viel spektakuläres passierte dann auf dem Abstieg auch nicht mehr. Wir trafen wieder Leute, die uns staunend betrachteten, oder irgendetwas zuriefen. Cheng Li hatte uns vom Koch gesagt, wir sollten an der Straße auf ihn warten, da er mit den Pferden mitkommen würde. Um 15:30 Uhr waren wir dann endlich unten. Die Sonne hat uns ganz schön gequält und die 1,5 Liter Getränk die ich hatte, haben gerade so gereicht. Wir riefen Tian an und warteten auf den Koch. Nach eineinhalb Stunden begaffen lassen, hat plötzlich mein chinesisches Handy geklingelt. Tian war dran und meinte der Koch Zhong hätte sich gemeldet. Er sei ca. 30min vor dem Oberen Zhongba. Sie würden dann noch zwei Stunden brauchen. Wir müssten nicht warten. Also wurden wir von einem Kleinbustaxi abgeholt und ins Hotel gebracht.

Nach einer Weile merkten wir, dass irgendetwas faul war. Zwei Leute diskutierten heiß in seinem Zimmer mit Tian. Er konnte uns nur kurz erklären, worum es ging, dann wurde weiter diskutiert: Cheng Li wollte die Pferde alle gesammelt am Schluss bezahlen. Wir hatten Jon im Voraus eine Menge Geld überwiesen, damit er alle Verhandlungen und Organisatorischen Sachen lösen konnte. Dieses Geld hatte wohl Cheng Li. Die Pferdetreiber merkten aber, dass unsere Expedition vorbei und wir bald nicht mehr da sein würden. Also wollten sie sofort ihr Geld haben. Es handelte sich um eine beträchrtliche Summe von über Tausend Euro. Wir hatten das Geld aber nicht mehr.

Unser Gepäck wurde im Oberen Zhongba zurückgehalten. Mit dem Gepäck war wohl auch unser Koch dort geblieben. Nach zwei Stunden Diskutieren fiel Tian nichts mehr ein, als die Polizei zu rufen und offiziell eine Bürgschaft für das Geld zu leisten. Die Polizei kam, wollte aber natürlich keine Bürgschaft abnehmen und konnte auch keine Garantien bieten. Aber sie rollte den Fall erst noch einmal auf und wollte wissen, was los war. Nach einer Weile wollte die Polizei auch mit einem von uns sprechen. Ich wurde über ziemlich viele Details der Expedition(en) gefragt. Wie das mit dem Geld geregelt sei, wie viele Ausländer da wären usw.. Der Polizist wollte, dass einer von uns vor Ort bleibt, bis Jon runter kommt und die Pferde bezahlt. Ich versuchte zu erklären, dass dies nicht möglich sei, und wir eigentlich auch den Rest der Zeit hier in China noch was anderes vorhatten. Wir waren jetzt schließlich auch ganz schön enttäuscht und einige von uns auch krank.

Am Ende waren drei oder vier Polizisten da und Tian war es endlich gelungen, jemanden in Jons Büro zu erreichen, der uns das Geld auf sein Konto schicken konnte. Er würde es dann holen und bezahlen. Natürlich wurde mein Pass zur Sicherheit eingezogen genau so wie der Ausweis von Tian. Mir hätte die Lösung besser gefallen, dass wir Jons Basislager und die geliehene Ausrüstung einfach hier lassen und er sie auslösen soll. Allerdings war sich der Polizist auch unsicher, ob wir die Befugnis hätten, das zu entscheiden. Solche Sachen sind hier immer öfter die reinsten Debattierclubs. Nach drei Stunden war jedenfalls mein Pass weg, das Gepäck würde erstmal weg bleiben und wir konnten endlich etwas essen. Nach dem frühen Frühstück hatten Ulrich und ich ja auch nicht mehr viel zu essen bekommen. Zhong hat es dann noch geschafft, beim Essen zu uns zu stoßen. Er war auch nicht mehr bei dem Gepäck in den Bergen geblieben.

Aufgeben (24.10.2009)

Chuck hatte wieder kaum geschlafen. Er brauchte in der Nacht diverse Tabletten, um weiteratmen zu können, da wohl seine Bronchen nicht mehr richtig funktionierten. Es war klar, dass er so schnell wie möglich aus dieser Höhe weg musste. Gabi hatte auch einen Husten bekommen. Wir hatten zu diskutieren: Wenn Chuck sich drei Tag unten erholen würde, hätte er nach dem Wiederaufstieg noch drei Tage, hier etwas zu machen. Aber das nur, wenn er wirklich wieder fit wäre. Während der sechs Tage, in denen er weg wäre könnten wir z.B. den Dangchezhengla probieren, da sechs Tage nur im BC warten keiner wollte. Mein Partner für diese Aktion wäre dann Ulrich gewesen, vorausgesetzt wir würden alle fit sein. Ich selber fühlte mich an diesem Tag gesundheitlich eigentlich endlich mal wieder ein bisschen besser.



Chuck steigt ab. Gabi will auch absteigen. Ulrich meinte es sei besser... Damit war es klar. Die Expedition war abgebrochen. Wir würden alle absteigen. Genauer werde ich das hier nicht schreiben (es ist immer noch keine einfache Sache, obwohl nun mehr klar ist).



Cheng Li hatte die Räuber seiner Sachen um 1:00 Uhr morgens in einer kleinen Hütte stellen können. Sie gaben ihre Tat zu und hatten die Beute hinter einem Felsen versteckt, um sie später abholen zu können, wenn die Luft rein wäre. Die beiden letzten Expeditionen vor uns hatten hier oben wohl noch eine Menge mehr Material "verloren". Cheng Li hatte nun jedenfalls alles wieder. Die Polizei haben sie nicht gerufen.

Chuck und Gabi packten gleich ihre Sachen, Tian auch. Er hatte heute Nacht zwischen 1:00 Uhr und 3:00 Uhr auch Probleme mit der Atmung bekommen und wollte sowieso ins Tal, um sich weitere warme Kleidung zu kaufen. Chuck bekam noch einen Anfall und wir mussten ihn mit einer Art Asthmaspray wieder aufpäppeln. Die drei verließen bald das Lager.



Nachdem Ulrich und ich das Gröbste für den nächsten Tag gepackt hatten, machten wir uns noch einmal auf den Weg zum Basislager der anderen. Cheng Li und Lilian waren dort und unterhielten sich. Jon war mit seinen Leuten auf 5500m Höhe am Yangmolong umgekehrt. Sie zogen sich in ihr ABC am Fuß des Berges zurück und beriteten.

Irgendwann taute Lilian ein wenig auf und konnte plötzlich doch Englisch. Sie holte ihren Laptop und zeigte uns ein paar Fotos von ihrer letzte Expedition in Tibet. Auf dem Bild sieht man uns auf 4900m um den Rechner hocken.



Der Typ ganz rechts kommt aus einem der Dörfer, es folgt Cheng Li, dann Lilian und schließlich Ulrich. Lilian war  den ganzen September mit einem Viererteam in Tibet gewesen und hatte dort einen 8000er bestiegen. Sie meinte, sie sei deswegen noch etwas müde und wisse nicht, ob sie noch zu den anderen stoßen sollte.

Gegen 15:00 Uhr kam ein Funkspruch von Jon. Sie würden heute das vorgezogene Basislager nicht mehr verlegen. Lilian dürfte nun hochkommen. Sie packte also schnell ihre Sachen und wir verabschiedeten uns wieder. Unser Weg war auch klar.


Donnerstag, 5. November 2009

Erkundungstour (23.10.2009)

Geschrieben am 24.10.2009 im Basislager

Ich habe die Nacht kaum geschlafen, da 10 cm neben mir eine ganze Menge los war: Chuck war dauernd am Husten. Er hatte aber auch unabhängig vom Husten ziemliche Atemnot. Das ist eine echt blöde Sache, die ich 2003 einmal in Peru hatte. Man ist im Halbschlaf am Einschladen und hat ungefähr das Gefühl, dass der Körper sobald man die Grenze zwischen Wachsein und Schlafen erreicht, auch die Atmung runterfährt, da man ja schläft. In der Höhe äußert sich das dann aber in kleinen Panickanfällen, da man meint, man hätte ganz aufgehört zu atmen und würde ersticken. Dazu kommt dann leider noch, dass man ja in einem dicken und oben relativ eng geschlossenenem Schlafsack liegt. Wenn man dann Luftnot bekommt, will man aufspringen und sich auch erst einmal daraus befreien. Der Kopf kann einem da schon ganz schön Streiche spielen, da man die meiste Zeit in einem Halbschlaf-/Dämmerzustand verbringt und dann noch weniger mit der Situation klar kommt.

Als endlich die Sonne aufgegangen war, verblassten die Schrecken der Nacht langsam. Man sieht uns oben in unserem Aufenthaltszelt beim Frühstück.



Wir fühlten uns alle ein bisschen besser bzw. wollten jedenfalls nicht nur im Lager herumhocken. Nach dem Verteilen von genügend Sonnencreme auf unserer Haut, um den natürlichen Schweiß-Staub-UV-Filter zu verstärken, machten wir uns mit unseren Tagesrucksäcken auf den Weg.



Tian kam auch mit und hatte mit dem Koch vereinbart, um 15:00 Uhr einmal Funkverbindung aufzunehmen.

Wir liefen wieder am See entlang zu dem Lager der anderen Truppe. Wie man auf dem Bild sehen kann, war deren fließend Wasser noch ziemlich fest diesen morgen.



Lange blieben wir nicht am fremden BC, da wir ja noch einiges erkunden wollten.



Es ging den Hang hinauf, den ich auch am Vorabend schon entlanggelaufen war. Dieses Mal wollten wir jedoch mehr sehen.



Fast zwei Drittel der Berge wurden von großen Schuttmoränen verdeckt, die sich im Umkreis von Kilometern vor den Bergen türmten.



Wir gingen in gerader Linie auf den Dangchezhengla zu und erreichten irgendwann eine solche Moräne. Unser erster Plan war, diese nach Osten zu queren, da wir so nicht so viel Höhe verlieren würden. Ich tat ein paar Schritte auf dem Schotterhang und kehrte um, da die feinen Steine und der Staub ziemlich lose waren und ich keine Lust hatte, den ganzen Hang in einer Steinlawine hinunterzurutschen. Gabi und Ulrich äußerten sich auch gerade kritisch zu der Beschaffenheit, da lief Chuck einfach los.

Ich fand das ziemlich komisch. Gut, das Risiko selbst einzuschätzen ist eine Sache und er war ja auch nicht abgerutscht. Aber eigentlich hätte klar sein sollen, das den Hang keiner von uns nachkommen würde. Wir waren also erst mal getrennt. Chuck erkundete weiter und war weg.

Ich versuchte einen anderen Weg auf das Moränensystem herauf zu finden und erkletterte einen steileren Hang, in dem größere Blöcke lagen, denen ich mehr vertraute. Ulrich wollte sich ein bisschen nach Westen umsehen und Gabi und Tian warteten dort, wo wir uns getrennt hatten. Ich kletterte weiter den Hang hinauf und fand irgendwann auch endlich Chuck, der etwas unterhalb auf einer Moräne stand und filmte.



Ihm war wieder eingefallen, wie der eigentliche Zustieg sein sollte. Er geht nämlich nicht üben den oben sichtbaren steilen Gletscher des Dangchezhengla, sondern weiter im Osten eine Gletscherzunge hinauf, die sich vor dem Central Peak entlangzieht. Wir mussten also zu einem anderen Zustieg und dazu erst einmal ins Tal hinab zu einem Pfad, der vom BC der adneren erreichbar war.

Da Chuck den Weg nicht wieder zurückgehen wollte, den er gekommen war, wollten wir uns im Tal treffen und dafür musste ich erst einmal alle anderen wieder zusammensuchen. Ulrich war ziemlich weit gekommen und bei seiner Suche und einer Reihe von Steinmännern gefolgt, über deren Zweck oder Erbauer wir keinen blassen Schimmer hatten. Bis er wieder bei der Truppe war, nachdem ich ihn gefunden hatte, waren schon ein paar Minuten vergangen und Chuck wartete eine ganze Weile im Tal am Pfad, als wir dort ankamen.

Nach einer Pause ging Tian zurück zum BC und wir gemeinsam weiter Richtung Westen. Irgendwann verabschiedeten sich auch Gabi und Ulrich und Chuck und ich setzten die Erkundungen alleine fort bis zum Ende des Tals an einem Pass hinter zwei kleinen Seen (siehe Foto).



Auf unserem ziemlich späten Rückweg kamen wir am BC der anderen vorbei und trafen dort Cheng Li, der meinte er würde mitkommen.



Wir verstanden nicht ganz, bis uns plötzlich drei Gestalten nachliefen: Cheng Li, ein summender Dorfbewohner und eine Chinesin, die wir nicht kannten. Die drei hatten sich bei uns zum Essen eingeladen. Leider reichte de Platz nicht aus, aber die ungebetenen Gäste waren so selbstverständlich dort, dass eben Tian später mit dem Koch essen musste und nicht mit uns. Während das ganzen Essens unterhielten sich die Cheng Li und die Frau nur auf chinesisch, was wir ziemlich unhöflich fanden.

Nach dem Essen ritten zwei Fremde durch unser Lager, mit denen unser Koch und der Dorfbewohner gleich eine kleine Diskussion anfinden. Ich dachte erst, es wären Leute von Jon, die nun ins Dorf absteigen wollten mit ihren Pferden. Cheng Li sagte allerdings es seine Yak-Hirten und sie suchten ihre Yaks. Ich hatte hier oben noch kein einziges Yak gesehen. Bald verabschiedeten sich unsere Gäste und gingen zurück zu ihrem Basislager.

Gegen 23:00 Uhr kam jedoch Cheng Li zurück. Sein Rucksack sowie ein paar Thermoskannen waren aus ihren unbewachten Zelten gestohlen worden. Wahrscheinlich waren es die vermeintlichen Yak-Hirten gewesen. In dem Rucksack war die Kasse unserer beiden Expeditionen. Also das gesamte Geld, mit dem z.B. alle Pferdetreiber noch bezahlt werden sollten.

Wir mussten unser Lager sicher machen und alles, was z.B. im Aufenthaltszelt lag irgendwie verpacken und nach Möglichkeit mit in die kleinen Schlafzelte nehmen. Sollte jemand in der Nacht etwas hören oder sehen, müssten wir sofort laut schreien.

Jon hatte mittlerweile Camp 1 unterhalb der Südwand des Yangmolong aufgeschlagen.

Dienstag, 3. November 2009

Tag im Basislager (22.10.2009)

Geschrieben am 22.10.2009 im Basislager

Heute Nacht hat es geschneit. Natürlich passend in der ersten Nacht in unseren schlecht abgespannten Zelten. Zum Glück hat es keinen Sturm gegeben.



Der Boden unter unserem Zelt war leider auch ziemlich uneben... aber wir hatten ja schließlich kein Luxushotel gebucht. Um 8:30 Uhr hielt ich es nicht mehr aus: in waagerechter Lage war die Nase immer sofort zu und ich konnte sowieso nicht mehr schlafen. Eine Zeit von 8:30 Uhr hört sich ja eigentlich ziemlich gemütlich an. Das entscheidende zur Gemütlichkeit ist hier oben aber, ob die Sonne schon da ist, oder nicht. Selbst im Zelt gibt es Temperaturen um -5 Grad und wenn man dann nach noch keine Sonne hat, friert man ganz schön. Die Wolken mit dem Schnee hatten den Vorteil, dass es sich nicht so stark abgekühlt war, wie es sonst nachts der Fall gewesen wäre. Die ersten beiden Bilder zeigen unser Lager kurz vor dem Frühstück, als sich die Wolken langsam etwas lichteten.



So viel lag heute nicht an. Wir alle waren noch ziemlich kaputt vom Vortag und wollten uns erst einmal ein bisschen ausruhen. Es wurde vom Wetter her ein bisschen besser, riss aber nie ganz auf und schneite auch ab und zu noch leicht. Wir stellten gemeinsam mit dem Koch und Tian unser Klozelt auf, das man auch in einem der Bilder sehen kann. Wenn man kein solches Zelt hat, läuft man immer erst eine Weile mit einer Klorolle unter dem Arm vom Lager weg (nach Möglichkeit in eine Richtung, in der kein Weg ist) und sucht sich sein Plätzchen. Es gibt dabei ein paar Nebenbedingungen, wie z.B. dass man nach ein paar Tagen (mit sechs Leuten im Lager) schon darauf achten sollte, wo man denn auf der Suche überall hintritt. Außerdem sollte man auch das Papier immer unter ein paar Steinen verschwinden lassen, damit der Wind es nicht in ungelegene Richtungen trägt... Aber dieses Mal hatten wir ja ein Klozelt dabei und somit alle diese Probleme nicht.



Die meiste Zeit des Tages saßen wir im Aufenthaltszelt. Von seiner Konstruktion her, war es dort drin nicht viel wäremer als draußen, also ziemlich kalt. Auch die dicksten Jacken helfen irgendwann nicht mehr, wenn die Kälte langsam die Füße und Beine hochkommt. Ich wollte mich nachmittags noch ein bisschen bewegen, um den Körper ein bisschen in Gang zu bringen. Dazu nahm ich mir die Kamera und suchte den Pfad am See Richtung Osten. Chuck kam mir entgegen. Er hatte in der Ferne das Lager der anderen ausmachen können, war aber umgekehrt und hatte auch noch keinen der Berge gesehen, die durch einen Felsberg und andere Erhebungen verdeckt waren.



Nach ca. 35 Minuten erreichte ich das Lager der anderen. Es war überraschend klein (s.o.). Es bestand nur aus zwei Zelten und einem abgespannten Dach über der kleinene Küche. Aus dem vorderen der beiden Zelte guckten zwei Füße heraus und ich machte mich bemerkbar. Es war Cheng Li, der alleine im Basislager (BC) die Stellung hielt. Er erzählte mir, alle anderen seien heute schon weitergegangen und zu einem Advanced Base Camp (ABC) am Fuße des Yangmolong aufgebrochen. Mit ihnen seien zwei Leute aus dem Dorf unterwegs, die beim Tragen helfen und vielleicht noch Pferde nachholen sollten, falls dies möglich sei. Ganz schön hart, bei diesem Wetter weiter aufzusteigen, aber sie wissen ja, was sie tun.

Da ich keine Stirnlampe dabei hatte, hatte ich mir als feste Zeit zur Umkehr 17:00 Uhr gesetzt. Demnach hatte ich noch ein bisschen Zeit und beschloss, einen Hang hinaufzulaufen, über dem ich die Spitze des Yangmolong sehen konnte. Das Basislager der anderen lag auf ca. 4900m und ich kam auf knapp 5000m an diesem Tag. Von dort oben schoss ich auch das Foto des Yangmolong, der sich kaum vom grauen Himmel abhob.



Insgesamt hatten wir für unser Lager schon den besseren Platz gewählt. Jons BC war ca. 60m über der Wasseroberfläche des Sees. Ihr Wasser mussten sie aus einem Rinnsal beziehen, das manchmal noch bis Mittags zugefrohren war. Wie gut uns unser Koch Zhong abends aus seiner kleinen Zeltküche versorgte, kann man auf den beiden folgenden Bildern sehen.




Wir betrachteten noch ein paar der Bilder, die ich mitgebracht hatte und gingen dann schlafen. Ich muss schon sagen, dass ich die Berge ganz schön stolz und abschreckend fand. Es würde keinesfalls leicht werden.


Samstag, 31. Oktober 2009

Aufstieg zum Basislager (21.10.2009)

Geschrieben am 22.10.2009 im Basislager

Ich konnte nicht mehr liegen bleiben, da mein Kopf dröhnte und meine Atemwege brannten. Die Kopfschmerzen kamen wohl von der Höhe und meine Atemwege waren wahrscheinlich durch die trockene und kalte Luft angegriffen. Sie brannten beim Einatmen und waren wahrscheinlich durch eine herannahende Erkältung etwas empfindlich. Eine Erkältung in dieser Höhe ist echt Mist. Ich hoffe es wird bald besser. Chuck meint sein Husten sei auf dem Weg der Besserung, aber bei mir wird es leider schlimmer.



Ich habe wieder mit Tee- und Müslikochen angefangen. Das Wasser haben wir direkt aus dem Fluss geholt, der nicht weit von hier entspringt. Das obige Foto zeigt den Fluß um viertel vor Zehn, während unser Lager noch im Schatten liegt und empfindlich kalt ist. Wir entkeimen das Wasser mit einem speziellen Mittel, das mindestens 20 Minuten einwirken muss. Dann kochen wir es und schütten es direkt danach entweder in eine Thermoskanne oder verwenden es gleich, um z.B. Milchpulver darin aufzulösen, in dem wir dann Müsli einweichen. Nach den 375g Müsli (eine Packung) für vier Personen waren wir alle noch nicht so richtig gesättigt. Es war ein bisschen kurzsichtig von uns gewesen, nicht so viel Essen einzupacken, da wir auf die bald aufgebaute Küche des Basislagers gezählt hatten. Das würde jedoch noch ein bisschen dauern.



Nach dem Frühstück und dem Kochen des Marschtees haben wir langsam begonnen, die Zelte und alle Lagerutensilien wieder einzupacken. Mit den Pferden rechneten wir gegen 15:00 Uhr. Wir wollten auf alle Fälle vor ihnen oben sein, damit wir die Gegend schon nach einem guten Platz absuchen konnten. Sobald die Pferde oben wären, würden ihre Führer natürlich schnell wieder ins Tal wollen. Wir müssten also sofort den Platz nennen, wo wir das Lager aufbauen wollten. Denn wären die 36 Gepäckstücke erst einmal abgeladen, könnten wir sie nicht mehr so ohne weiteres transportieren.



Wir warfen noch einmal die Kocher an, um weiteren Tee zu kochen. Viel zu trinken ist in dieser Höhe besonders wichtig. Der Körper verliert eine Menge Flüssigkeit alleine durch das Ausatmen, da die trockene Luft danach lechzt Feuchtigkeit aufzunehmen. Das Wasser kochte nicht einmal, als wir plötzlich um 12:30 Uhr die Anfeuerungsschreie der Pferdetreiber hörten, die wie oben zu sehen, den Hügel zu unserem Camp herunterkamen.



Wir beeilten uns, alles noch schnell zu verpacken, damit es auf die Pferde geladen werden konnte. Chuck und ich gingen schnell voraus, um wie erwähnt den Platz für das Lager zu bestimmen. Wir kamen jedoch nicht weit den Hang hinauf, bis uns die Pferde einholten. Diesen Wettlauf konnten wir nicht gewinnen und so ließen wir die Tiere passieren. Das, was von unten ausgesehen hatte wie der Pass, den wir überqueren mussten, war wieder nur ein kleiner Vorbau, hinter dem immer  weitere Hügel auftauchten, bei denen es sich noch lange nicht um den wirklichen Pass handelte.



Auf einer Wiese, nach der es wieder steil bergauf ging, überholten wir die Pferde bei einer Rast. Tian und ich gingen voran, während unser Koch Zhong einen Flanke des Berges hinaufstieg, um sich im Gelände orientieren zu können und mir den Weg zu deuten. Kurz vor dem Ziel mussten wir noch einmal nach Westen ausholen, um einen riesigen Felsberg zu umgehen. Nachdem der Weg wieder nach Süden führte, überholten mich die Pferde, um kurze Zeit später den See zu erreichen.



Sie hielten an dem Platz, der auf dem Foto zu sehen ist. Dort warteten wir auf den Rest unserer Truppe. Als Tian an kam (vorher konnte niemand mit mir sprechen), wurde ich sofort gefragt, wo das Lager hin sollte. Ein Lager weiter im Osten wäre sicher besser für uns gewesen, da wir dann näher am Berg wären. Andererseits konnten wir nicht absehen, wie es dort vom Platz her wäre. Jon musste irgendwo dort sein. Die Einheimischen sagten uns, wir würden mindestens noch eine Stunde zu dem nächsten möglichen Platz brauchen. Wir mussten uns also entscheiden, ob wir das Risiko eingehen, oder hier bleiben wollten. Der Koch wollte ziemlich bestimmt hier lagern und auch die Pferdetreiber hatten eher Lust, wieder nach Hause, als noch weiter zu gehen. Wir ließen uns breitschlagen.



Um 16:00 Uhr war alles abgeladen und die Pferde verschwunden. Das Durcheinander der Säcke und Taschen zu überblicken dauerte ewig. Das meiste gehörte irgendwie zur Ausstattung des Basislagers oder der Küche, aus der wir für fast zwei Wochen täglich drei warme Mahlzeiten bekommen sollten (Nachschub würde es nicht geben, also musste alles dabei sein). Nach dem Aufstellen des Aufenthaltzeltes machten wir uns an unsere Zelte. Dabei lief der Koch immer wieder aufgescheucht herum, da die meisten Taschen ja von ihm gepackt waren, er  uns aber auch nicht sagen konnten, wo unsere Zelte wären, oder wo die Heringe abgeblieben sein. Es zeichnete sich immer deutlicher ab, dass wir wohl keine extra Zelte für das Basislager haben würden. Diese hatten wir so bei Jon bestellt, damit wir das Hochlager aufbauen und trotzdem noch wieder ins Basislager absteigen konnten. Dies wäre mit nur einem Zelt pro Seilschaft nicht möglich, da wir ja dann nichts mehr zum Schlafen im Basislager hätten, nachdem das Zelt im Hochlager war. Was aber erst einmal ärgerlicher war, war das Fehlen von Heringen, die sich auch in den anderen Gepäckstücken nicht auffinden ließen.

Chuck war ziemlich geschwächt und vegetierte irgendwann nur noch im Aufenthaltszelt vor sich hin. Ich versuchte unter dessen, so gut wie möglich unser Zelt mit Steinen und anderen Hilfsmittel abzuspannen. So gut wie mit Heringen gelingt das natürlich nicht. Besonders dann nicht, wenn viel der Abspannleinen fehlen. Wir waren alle hungrig und durstig. Aufzusteigen und das Lager aufzubauen war Schwerstarbeit in der Höhe. Wir hatten seit morgens nichts mehr gegessen und in unsere Thermoskannen passte auch nur ein Liter, der längst aufgebraucht war. Solange der Gaskocher des Kochs noch nicht lief, würde es auch kein Wasser geben, das wir trinken konnten. Er suchte in den Gepäckbergen noch nach einer passenden Dichtung zum Anschließen der Gasflaschen.

Um ca. 19:00 Uhr gab es endlich das erste Mal wieder etwas zu trinken. Wir waren alle ziemlich fertig. Chuck war wohl doch noch mehr erkältet als morgens angenommen und uns andere hatte der Tag auch total geschlaucht. Als ich am Tisch saß, mein Kopf brummte und mein Magen total leer war, fühlte ich mich wie mit einer Grippe, denn auch der Kreislauf war nach der Anstrengung in der Höhe von ca. 4850m ziemlich am Ende.

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Aufstieg zum Zwischenlager (20.10.2009)

Handgeschrieben am 21.10.2009 im Zwischenlager

Morgens gab es wieder gebratenen Kohl mit Reis, allerdings nicht von Gabi zubereitet, wie das Foto von ihr in der Küche vermuten ließe.



Nach dem Frühstück waren pünktlich um 10:00 Uhr unsere beiden Pferde da. Diese sollten uns zu unserem Lager zwischen dem Oberen Chong Ba (3700m) und dem Basislager (ca. 4800m) bringen.



Ungefähr auf der Höhe des Lama-Tempels trafen wir drei von Jons Leuten, die zum Basislager aufsteigen wollten. Bald hatten wir die drei Chinesen jedoch wieder verloren und fanden später etwas, das sie verloren hatten: eine Fleece Jacke ihres Sponsors Kailas.



Irgendwann holten wir Jons Leute auf einer Rast ein und gaben ihnen die Jacke zurück. Unser Pferdeführer schloss sich ihnen an, da ihm das schnellere Tempo wohl lieber war. Auf ca. 4100m kamen wir auf eine Wiese, die wir überquerten.



Der weitere Weg wurde jedoch immer steiler und enger im Wald, sodass dort keine Pferde gegangen sein konnten. Wir kehrten also zur Wiese zurück. Tian fand einen anderen Weg, der jedoch zum Fluss hinunter führte und diesen querte. Auch dort unten fanden wir keine Spuren der Pferde und außerdem stand die Querung des Flusses im Widerspruch zu Ulrichs Karte (die laut Jon von 1960 stammt, aber Passübergänge und Verbindugspfade zwischen Dörfern als gestrichelte Linien enthält).



Ich holte Tian also zurück, während die anderen gar nicht mit zum Fluß hinunter gekommen waren, da Chuck sich nicht mehr so fit fühlte. Der Husten und die Erkältung machten ihm leider zu schaffen. Wie man auf dem Bild oben sehen kann, trägt Gabi nun auch meine Fleece-Jacke, da der Pferdetreiber wie ein Gentleman ihren Rucksack tragen wollte. Nun da er weg war und wir nicht mal den Weg fanden, war auch Gabis Jacke weit weg. Neben ihrem Getränk hätte sie die aber bei den niedrigen Temperaturen dringend benötigt.



Wir suchten die Ränder der Wiese also noch einmal genau ab. An ihrem Anfang fand Ulrich einen kleinen Pfad. Tiefer im Wald wurde er besser und wir fanden auch Spuren von Pferden sowie frische Pferdeäpfel (zur Bestimmung der Frische muss man nicht wie im Wilden Westen die Temperatur erfühlen, sondern kann sich auch an der Farbe orientieren).

Es ging immer weiter den Wald hinauf und wir hatten die 4300m schon überschritten. Eigentlich wollten wir in der Mitte unserer bisherigen Schlafhöhe und der Basislagerhöhe, also bei 4250m lagern. Das war hier aber nirgends möglich. Die Bäume und Sträucher waren viel zu dicht und es gab kein Wasser. Außerdem war ja auch unser Pferdetreiber mit den Sachen und Gabis Rucksack verschwunden.

Als sich der Wald fast lichtete trafen wir endlich unseren Pferdetreiber wieder. Er meinte es wäre auch weiter oben nicht möglich zu lagern. Allenfalls gäbe es eine Stelle, die aber zu weit weg für heute sei. Umkehren wollte keiner von uns. Die Höhenmeter, die wir geschafft hatten, wollten wir nicht einfach wieder aufgeben. Wir hätten zu der Wiese auf 4100m zurück gemusst. Auf Ulrichs Karte fanden wir eine Lagermöglichkeit am Fluss, der 1,5km entfernt sein sollte. Wir beschlossen dort hinzugehen. Die 1,5km dauerten jedoch noch knapp eine Stunde, was wir nicht erwartet hatten. Außerdem brachten sie uns auf eine Höhe von 4500m, was dann doch schon ganz schön hoch ist, wenn man nicht so fit ist.

Eine neue Überraschung erlebten wir beim Aufbauen der Zelte: die Heringe fehlten und es war ziemlich windig. Mehr als die Innenzelte konnten wir also nicht aufbauen, da die Verpannung der Außenzelte nicht möglich war. Trotz der Lagerung des gesamten Gepäcks in den Zelten wurden diese, während wir aßen, einfach weggeblasen.



Wir hatten uns schon Sorgen gemacht, unsere Pferde erst um 16:00 Uhr nach hause gehen zu lassen. Die 19 Pferde, die Jon an diesem Tag zum Basislager gebracht hatten, kamen allerdings erst um 18:00 Uhr an unserem Lager vorbei. Es war schon fast dunkel. Und sie mussten noch ins selbe Dorf, aus dem wir am Morgen gekommen waren.



Ich übernahm das Kochen von Essen und Tee, da alle ganz schön geschlaucht waren von diesem langen Tag. In den Fotos oben kann man die tolle Hängekocherkonstruktion von Ma Yihua sehen, die wir auch schon 2006 verwendet hatten.



Im Hochlager hängt man diese Gaskocher im Zelt auf und kann so drinnen kochen. Bei tiefen Minusgraden ist das schon eine sehr schöne Sache. Es gab Reisnudeln mit einer Dose Fleisch und einer Tomatensaußenmischung aus Deutschland.



Ich habe noch nicht oft Reisnudeln gekocht, aber in unseren kleinen Kochern konnte man sich auch das Abgießen sparen. Die 500g Nudeln verbanden sich vollkommen mit dem Wasser und verwandelten sich in einen klebrigen Stärkebrei.

Dienstag, 27. Oktober 2009

Der Lama Tempel (19.10.2009)

Handgeschrieben am 19.10.2009 im Oberen Zhong Ba

Unser Frühstück bestand aus gebratenem Kohl und Reis. Auf den obigen Fotos kann man wie versprochen unsere Unterkunft sehen.



Wir haben zur Begrüßung gestern (im Foto) Buttertee mit allen Pferdetreibern bekommen. Der tibetische Buttertee wird hier wohl von allen getrunken. Auch im Dorf wird er zur Stärkung verwendet. Besonders gerne mögen ihn übrigens auch die Fliegen, von denen es hier in der Küche eine Menge gibt. Vielleicht liegt es an dem Stall, der direkt unter uns ist. Eine verschließbare Tür dazwischen ist mir nicht aufgefallen.



Man sieht auf den Fotos auch unsere Küche und unser Haus, das wohl den gleichen Architekten hatte, wie alle anderen im Dorf (siehe unteres Foto).



Nach dem Essen haben wir uns auf den Weg zum Lama Tempel oberhalb des Dorfes gemacht. Schon vor dem Haus haben wir die ersten Einheimischen getroffen, die anscheinend unsere Aklimatisationstour mit machen wollten. Es wurden immer mehr Leute und wir erkannten auch einige aus dem Unteren Chong Ba wieder, die wir am Vortag gesehen hatten.

Auf dem Weg konnte Tian erfahren, dass aus dem Dorf schon ca. 40 Familien verschwunden waren und auch die restlichen 30 nach und nach nach Batang im Tal abwandern wollten. Die Kinder hier, die zur Schule wollen, müssen ins Internat. Eigentlich gibt es eine neunjährige Schulpflicht, aber diese wird hier nicht so ernst genommen und manche Kinder gehen einfach nicht zur Schule. Dadurch lernen sie auch kein Chinesisch sondern nur tibetische Dialekte.

Eine andere interessante Sache im Zusammenhang mit den Gesetzen ist die Macht der örtlichen Lamas in jedem Dorf: Gestern haben wir erfahren, dass Jon mit seinen Leuten auf der Nordseite des Berges in einem kleinen Dorf aufgehalten wurde. Sie wollten die Expedition nicht zum Yangmolong durchlassen. Die letzte Expedition hatte sehr schlechtes Wetter mit viel Regen und die Einheimischen wollten dies nicht noch einmal riskieren. Trotz der Erlaubnis durch die Regierung des Landes und der Provinz wurde ihnen der Weiterweg verwehrt. Gestern sind also alle von ihnen zurück ins Tal und heute mit ihren Pferden an uns vorbei in ein höheres Lager aufgestiegen.

Aber wir waren erst einmal in einer großen Kolonne auf dem Weg zum Lama Tempel.



Die Dorfbewohner um uns herum hatten alle so eine Art Opfergaben dabei. Sie brachten alles zum Tempel oben. Im obigen Bild sieht man uns alle an dem Hang zum Tempel sitzen. Als wir oben waren wurden wir in den Innenraum gebeten, wo im Halbdunkel die Mönche Musik machten und Beteten, während die Dorfbewohner drumherum an den Wänden saßen und Tee tranken.



Nachdem wir genug gesehen und gehört hatten, gingen wir nach draußen, um etwas zu essen und zu trinken.



Nach und nach scharten sich die Leute um uns. Sogar die Mönche kamen und beobachteten, wie wir dort saßen. Als wir los wollten, standen die Leute so dicht, dass wir uns kaum rühren konnten. Tian wollte noch ein Foto mit dem Lama machen und kurz darauf standen wir alle vor der Kamera.



Zwei Jungs und zwei Mönche begleiteten uns noch ein Stück auf dem Weg, da wir etwas höher das Tal hinauf wollten. Die Jungs blieben die ganze Zeit bei uns, bis wir auf 3900m umdrehten, weil sich der Himmel sehr schnell mit dicken Wolken verdunkelte. Ein Glück gab es nur ein paar Tropfen.

Morgen werden wir versuchen, ein kleines Lager auf 4200-4300m zu errichten. Deshalb mussten wir heute schon wieder alles packen. Es wäre zu viel Aufwand, das ganze Basislager aufzubauen. Deshalb nehmen wir nur zwei Pferde mit, die das nötigste wie Zelte und Schalfsäcke tragen. Übermorgen versuchen wir dann, das Basislager auf 4800m aufzubauen.



Im Moment sitzen wir hier in der Küche. Es ist kurz vor sieben und der Ofen ist aus. Die meisten Leute sind noch immer im Kloster, wo heute eine 10-tägige Feier zu ende geht.



Wir sind fast alle ein bisschen erkältet. Chuck hat komischen Husten und ich habe Schnupfen. Außerdem brennen Nase und Rachen in der trockenen Höhenluft. Die Höhe macht uns körperlich zu schaffen und ich hatte gestern ganz schön starke Kopfschmerzen.