Sonntag, 8. November 2009

Abstieg (25.10.2009)

Der Wecker hat wahrscheinlich um 7:00 Uhr geklingelt. Ich hatte jedoch nichts gehört, da ich eine Mütze auf hatte und die Arme (an dessen linken der Wecker befestigt war) tief im dicken Schlafsack waren. Ulrichs Wecker war kaputt und der Koch hatte wohl auch keinen. Da ich aber sowieso nicht fest schlief, wunderte ich mich nach einer Weile, warum das Klingeln augeblieben war und guckte auf die Uhr. Es ist schon komisch, wie man im Halbschlaf manchmal ganz schön begriffsstutzig ist. Ich verstand jedenfalls nicht gleich, warum es schon 7:03 Uhr war und der Wecker nicht geklingelt hatte. War es vielleicht sieben Uhr in einer anderen Zeitzone und bei uns noch viel früher? Eine Uhr mit zwei Zeitzonen und Wecksignalen, die man explizit pro Zeitzone stellen muss, trägt da morgens nicht so viel zum Verständnis bei. Als ich alles kontrolliert hatte, blieb nur noch die banale Lösung, dass ich den Wecker einfach nicht gehört hatte.

Die Nacht war sowieso nicht so einfach gewesen. Irgendwie trieb sich die ganze Zeit etwas Ungreifbares bezogen auf den Abstieg und Abbruch der Expedition in meinem Kopf herum. Das Zelt war voll mit Packsäcken und anderen Sachen (Chuck war ja schon unten). Leider hatte ich beim Schlafengehen auch den Fehler gemacht, meine Stirnlampe nicht in die Seitentasche, sondern irgenwohin zu legen. Wenn man nachts aufwacht, in einem stockdunklen Zelt, das vollgestopft ist mir großen und kleinen Gegenständen, kommt man sich ganz schön hilflos vor, wenn man nach der Lampe sucht.

Ich machte das Licht an, draußen war es noch ziemlich dunkel, aber es dämmerte. Das Zelt war wieder einmal voller Eiskristalle. Ich dachte, dass vielleicht eine Person weniger Feuchtigkeit abgeben würde, aber anscheinend hatte ich mich geirrt, denn rundrum war die Feuchtigkeit an den Wänden, der Decke und dem Boden gefroren. Als ich Ulrich fragte, wie es bei ihm wäre, hatte er wohl keine Motivation in dieser Dunkelheut und Kälte aufzustehen, bevor der Koch nicht wenigstens etwas Wasser heiß gemacht hatte. Trotzdem begann ich, mich in dem engen und nassen Zelt anzuziehen. Das dauert immer ein bisschen. Man hat zwar den Vorteil, dass man relativ gut augeheizt ist, aber der Innenraum des Zeltes hat immer noch Grade unter Null, bei dennen man sich dann seine kalten und leicht klammen Kleidungsstücke anzieht, die neben dem Schlafsack gelegen haben. Beim Aufsetzen der auf fünf Grad unter Null abgekühlten Brille, kann man gleich wieder nachwischen, da diese sofort beschlägt.

Zhong stand auch auf, als er die Geräusche von uns gehört hatte. Wie jeden Morgen schlug er zuerst die Eisschicht der Wassertonne kaputt und setzte dann einenen Kessel auf, bevor er für uns Weißbrotscheiben in seinem Wok toastete. Das Toastbrot war natürlich immer kalt, wenn wir es bekamen, aber es war so westlich, dass auch Gabi und Ulrich etwas davon nahmen, wenn die mal von ihrem selbst mitgebrachten Müsli abwichen. Ich glaube übrigens, dass der Grund, auf Expeditionen soviel Erdnussbutter zu verwenden, nicht nur daran liegt, dass dies von den Amis so gerne gegessen wird. Im Vergleich zu richtiger (in unserem Fall irischer) Butter, lässt sich Erdnussbutter nämlich noch einigermaßen um den Gefrierpunkt herum verarbeiten.

Nach dem Frühstück packten wir unsere restlichen Sachen ein. Die Sonne berührte die ersten Spitzen der Zelte. Es würde noch sehr lange dauern, biss der Reif und das Eis geschmolzen waren. Vorher wäre es keine gute Idee, die Zelte einzupacken, da sie dann schimmeln würden.



Cheng Li und sein einheimischer Begleiter waren gekommen, um beim Abbau des Zeltes zu helfen. Zusammen haben wir also erst einmal die gemeinsamen Zelte abgebaut (das Aufenthaltszelt, das Küchenzelt und das Klozelt). Dann haben wir darauf gewartet, dass unsere Zelte trockneten. Die Pferde und ihre Treiber sollten um 10:00 Uhr da sein. Ich hatte keine Lust darauf, mit ihnen um die Wette zu laufen und wollte deshalb früher mit dem Abstieg starten. Irgendwann konnten wir endliche die Zelte abbauen und verpacken. Nachdem Ulrich und ich das erste Zelt in bester Camper-Manier ordentlich zusammengelegt und schön eingerollt hatten, kam Cheng Li und meinte das dürfe man nicht so machen. Er stopfte das nächste Zelt unter Mühen einfach grob in den Packsack. Dadurch würde man verhindern, dass die Zelthaut beim Zusammenrollen zerstört wird. Schließlich zelteten wir nicht auf dem gepflegten Rasen eines vier Sterne Campingplatzes.



Endlich konnten wir los. Nach ca. einer halben Stunde kamen uns zwei Reiter entgegen, die wir schon kannten. Es waren die beiden Banditen von vor zwei Tagen. Wir ließen sie passieren und sie uns auch. Nach ca. 45 min Gehzeit kamen uns endlich unsere Pferde entgegen. Wir überschlugen, dass sie damit mindestens zwei Stunden hinter uns sein würden.



So viel spektakuläres passierte dann auf dem Abstieg auch nicht mehr. Wir trafen wieder Leute, die uns staunend betrachteten, oder irgendetwas zuriefen. Cheng Li hatte uns vom Koch gesagt, wir sollten an der Straße auf ihn warten, da er mit den Pferden mitkommen würde. Um 15:30 Uhr waren wir dann endlich unten. Die Sonne hat uns ganz schön gequält und die 1,5 Liter Getränk die ich hatte, haben gerade so gereicht. Wir riefen Tian an und warteten auf den Koch. Nach eineinhalb Stunden begaffen lassen, hat plötzlich mein chinesisches Handy geklingelt. Tian war dran und meinte der Koch Zhong hätte sich gemeldet. Er sei ca. 30min vor dem Oberen Zhongba. Sie würden dann noch zwei Stunden brauchen. Wir müssten nicht warten. Also wurden wir von einem Kleinbustaxi abgeholt und ins Hotel gebracht.

Nach einer Weile merkten wir, dass irgendetwas faul war. Zwei Leute diskutierten heiß in seinem Zimmer mit Tian. Er konnte uns nur kurz erklären, worum es ging, dann wurde weiter diskutiert: Cheng Li wollte die Pferde alle gesammelt am Schluss bezahlen. Wir hatten Jon im Voraus eine Menge Geld überwiesen, damit er alle Verhandlungen und Organisatorischen Sachen lösen konnte. Dieses Geld hatte wohl Cheng Li. Die Pferdetreiber merkten aber, dass unsere Expedition vorbei und wir bald nicht mehr da sein würden. Also wollten sie sofort ihr Geld haben. Es handelte sich um eine beträchrtliche Summe von über Tausend Euro. Wir hatten das Geld aber nicht mehr.

Unser Gepäck wurde im Oberen Zhongba zurückgehalten. Mit dem Gepäck war wohl auch unser Koch dort geblieben. Nach zwei Stunden Diskutieren fiel Tian nichts mehr ein, als die Polizei zu rufen und offiziell eine Bürgschaft für das Geld zu leisten. Die Polizei kam, wollte aber natürlich keine Bürgschaft abnehmen und konnte auch keine Garantien bieten. Aber sie rollte den Fall erst noch einmal auf und wollte wissen, was los war. Nach einer Weile wollte die Polizei auch mit einem von uns sprechen. Ich wurde über ziemlich viele Details der Expedition(en) gefragt. Wie das mit dem Geld geregelt sei, wie viele Ausländer da wären usw.. Der Polizist wollte, dass einer von uns vor Ort bleibt, bis Jon runter kommt und die Pferde bezahlt. Ich versuchte zu erklären, dass dies nicht möglich sei, und wir eigentlich auch den Rest der Zeit hier in China noch was anderes vorhatten. Wir waren jetzt schließlich auch ganz schön enttäuscht und einige von uns auch krank.

Am Ende waren drei oder vier Polizisten da und Tian war es endlich gelungen, jemanden in Jons Büro zu erreichen, der uns das Geld auf sein Konto schicken konnte. Er würde es dann holen und bezahlen. Natürlich wurde mein Pass zur Sicherheit eingezogen genau so wie der Ausweis von Tian. Mir hätte die Lösung besser gefallen, dass wir Jons Basislager und die geliehene Ausrüstung einfach hier lassen und er sie auslösen soll. Allerdings war sich der Polizist auch unsicher, ob wir die Befugnis hätten, das zu entscheiden. Solche Sachen sind hier immer öfter die reinsten Debattierclubs. Nach drei Stunden war jedenfalls mein Pass weg, das Gepäck würde erstmal weg bleiben und wir konnten endlich etwas essen. Nach dem frühen Frühstück hatten Ulrich und ich ja auch nicht mehr viel zu essen bekommen. Zhong hat es dann noch geschafft, beim Essen zu uns zu stoßen. Er war auch nicht mehr bei dem Gepäck in den Bergen geblieben.

1 Kommentar:

  1. Hi Jan,

    das hast du echt mal wieder toll geschrieben :-)

    Macht total Spaß von euren Abenteuern und den "kleinen" Zwischenfällen zu lesen. Manche Sachen sind echt zum Lachen auch, wenn sie dies in Wirklichkeit für euch wohl nicht waren. Im Nachhinein könnt ihr sicherlich auch noch über das eine oder andere Detail schmunzeln.

    Nichtsdestotrotz ist es natürlich sehr schade, dass es nicht so geklappt hat, wie ihr euch das vorgestellt habt. Wenn jedoch die Gesundheit, aus welchen Gründen auch immer, nicht mitspielt, hat man manchmal jedoch einfach keine Wahl. So gesehen ist es am wichtigsten, dass es euch jetzt wieder gut geht und nichts Schlimmeres passiert ist.

    Grüße Lucien

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